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Theater

Die große Geld oder Leben Tour

Eine mobile Inszenierung im Stadtraum

Die Veranstaltung findet statt im Rahmen des Festivals BEYOND BELONGING: TRANSLOKAL.

Memleket doğduğun yer değil, doyduğun yerdir.
Heimat ist nicht dort, wo du geboren bist, sondern dort, wo du satt wirst.

(Volksweisheit aus Anatolien)
Die Topographie migrantischer Wirtschaftsräume ist in der öffentlichen Wahrnehmung kaum vorhanden. MigrantInnen werden im Berliner Wirtschaftsleben im besten Falle als Dienstleister des Alltags gesehen: italienische Restaurantbesitzer, vietnamesische BlumenverkäuferInnen, russische Änderungsschneiderinnen … Der ehemalige Berliner Finanzminister Thilo Sarrazin behauptete kürzlich, insbesondere türkische und arabische MigrantInnen hätten „keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel“.

Ungeachtet dieser rassistischen Aussage und weiteren zynischen Rechnungen in Sachen IQ und Produktivität von Menschen haben sich in Berlin längst eine Vielzahl mittelständischer Unternehmen etabliert, vom Anzugfabrikanten über das Möbelhaus bis zum großen Bauunternehmer. Ebenso trifft man auch auf informelle Händler wie den Sesamringverkäufer in Alt-Mariendorf, die sich eine hochspezialisierte Marktnische erschlossen haben.
Die große Geld oder Leben Tour führt zu drei postmigrantischen Wirtschaftsräumen, die das Stadtbild prägen und jeweils ihre eigene Dynamik haben. Das Dong Xuan Center in Lichtenberg (Station 1) hat sich zum Mittelpunkt der vietnamesischen Community Berlins entwickelt. Die einstigen „Vertragsarbeiter“, die in der DDR in einem System „moderner Sklaverei“ dienen mussten, haben in Lichtenberg Europas größtes vietnamesisches Handelszentrum aufgebaut.
Andere Wirtschaftsräume entwickeln sich in vorhandenen Strukturen, wie die Autowerkstätten hinter dem Kreuzberger Finanzamt (Station 2), wo sich in den ehemaligen Pferdeställen der Preußischen Armee türkische Automechaniker etabliert haben. Oder am Kottbusser Tor: Hier haben sich in den ersten beiden Etagen des Neuen Zentrum Kreuzberg (Station 3), dem umstrittenen Großwohnungsbau aus den 70er Jahren, allerlei migrantische Kleinökonomien versammelt.
Jeder Raum hat seine Geschichte, jeder Unternehmer ebenso. Die große Geld oder Leben Tour lässt drei Generationen von MigrantInnen und PostmigrantInnen zu Wort kommen. Sie berichten von ihren persönlichen Wirtschaftsmodellen, von Überlebensstrategien und Erfolgen, von Visionen und Kalkulationen ‒ die nicht zuletzt in Zeiten der Krise in ihrer Dynamik, Modell für viele andere Unternehmer sein könnten.
Zwischen dem „Gastarbeiter oder „Vertragsarbeiter“ und dem Unternehmer liegen über vierzig Jahre Migrationsgeschichte, gleichwohl geht es auch immer wieder um das Gefühl, nie in der Gesellschaft anzukommen und eine Last zu sein.

Zur Tour erscheint ein 36-seitiger Katalog mit Zeichnungen von Jan Liebscher.